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Und wieder dominieren die Alten die Debatte und hauen die Jungen in die Pfanne. Das regt mich immer mehr auf. Dass alle Themen die junge Menschen umtreiben null angegangen werden (Klimawandel, Mietmarkt, etc), aber dann gleichzeitig einfach vorausgesetzt wird, dass sie den Karren aus dem Dreck ziehen (Wehrdienst, Rente, Soziales Jahr für die Pflege) und dann wird auch noch immer über work life balance und die faulheit gelacht obwohl junge Menschen so viel arbeiten wie noch nie. Und dann wundern sie sich dass unter 40 keiner CDU und SPD wählt.
Du hast zwar grundsätzlich recht damit dass die Alten oft die Debatte dominieren, beim Wehrdienst muss man denen aber fairerweise tatsächlich zugute halten, dass sie dem auch unterworfen waren, sie also nicht etwas anderes für junge fordern als für sich.
Wehrdienst zu leisten bedeutet notwendigerweise, das Leben als Zivilist aufzugeben, also Leib und leben für eine Weile zu verpfänden/zu riskieren. Das ist konzeptionell ein bisschen wie Russisch-Roulette spielen. Wenn man Glück hat, macht man nur ein paar Monate Sport beziehungsweise hört nur ein Klicken.
Ich halte es nicht für fair, andere Leute zum Russisch-Roulette-Spielen zu zwingen, nur weil man es selbst zufälligerweise überlebt hat.
Was ist denn die Alternative in diesen Zeiten? Wir machen das ganze ja nicht aus Spaß, sondern weil wir tatsächlich einer großen Bedrohung ausgesetzt sind, der man sich nicht einfach so entziehen kann.
Und zumindest da muss man den Älteren schon lassen, dass sie in dem Fall eher wissen, wovon sie reden. Die sind ebenfalls in einer Zeit der konstanten Bedrohung groß geworden und wurden in dieser Zeit zum Wehrdienst eingezogen. Viele Jüngere hatten jetzt das Privileg, das nicht mehr kennen zu müssen, aber der Zustand hat eben nicht angehalten.
Internationalen Zerwürfnissen begegnet man nachhaltig über transnationale Zusammenschlüsse, den langfristigen Abbau des Nationalismus und damit dem Aufbau einer geeinten Zivilgesellschaft. Dass Deutschland und Frankreich keine Kriege mehr miteinander führen hat nichts mit der Bundeswehr oder der Armée française zu tun.
Imaginären Bedrohungen begegnet man nicht, realen begegnet man konsequent. Ein Schrei nach Aufrüstung setzt voraus, dass bestehende Ressourcen nicht zur (militärischen) Lösung etwaiger realer Probleme ausreichen... was grober Unfug ist, oder nicht?
Daher hier als Beispiel zwei lächerliche Maßnahmen, die beide immer noch sinnvoller sind als eine Militarisierung der europäischen Gesellschaft:
Soweit die Theorie, ja. Dass Frankreich und Deutschland keine Kriege mehr führen, hat vor allem damit zu tun, dass auf beiden Seiten, aber insbesondere auf Seiten des Aggressors Deutschland, die Einsicht herrschte, dass man in Zukunft besser zusammen besteht. Der heutige Aggressor steht noch mit Hunderttausenden in der Ukraine und schießt während wir hier fröhlich schreiben seine Grenzen Meter für Meter Richtung Westen. Der ist noch nicht so weit wie Deutschland nach '45.
Ist halt die Frage, ob man die Situation an unserer Ostflanke als "imaginär" oder "real" bezeichnen möchte. Ich für mich weiß da eine klare Antwort.
Da würde ich unterscheiden: einfach blank nach immer "mehr mehr mehr" zu schreien, bringt nichts - und es gibt erhebliches Verbesserungspotenzial, mit dem Geld für Rüstung in Europa die größtmögliche Schlagkraft zu erreichen. Hier reden wir aber von Wehrdienst und das sehe ich tatsächlich anders: ohne Truppen nützt kein Gerät und hier haben wir einfach starken Verbesserungsbedarf. Wir haben uns nach dem Fall des Eisernen Vorhangs den Traum erlaubt, auf die Wehrpflicht verzichten zu können, aber dazu gehört eben auch, anzuerkennen, wenn sich die Rahmenbedingungen wieder ändern. Mit einem derart imperialistisch-aggressiv agierenden Russland ist das leider gegeben.
Nach Putin, nach einer Abkehr der nationalistischen Politik, ist auch für Russland wieder ein Platz für Zusammenarbeit gegeben - wie es auch vor 2022 gegeben war. Der Ball dafür liegt aber bei ihnen.
Da stimme ich dir zu und verweise auf die Möglichkeit den Aggressor mit bestehenden Mitteln in die Schranken zu weisen.
Für mich ist die Antwort auch klar, aber ich vermute, wir haben andere klare Antworten. Was macht sie für dich klar?
Würde ich grundsätzlich nicht widersprechen, aber was meinst du mit deinem letzten Satz? Warten auf einen Staatsstreich? Den zu begünstigen geht einfacher, als über Jahre hinweg mühselig die eigenen Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme zu sabotieren, indem man sie unnötig militarisiert.
Du fragst in deinem verlinkten Post danach, was einen Angriff Russlands plausibel erscheinen lässt. Gerne möchte ich dir meine Sichtweise darauf erläutern:
Ähnlich wie bei der Ukraine denke ich, dass der Weg in den Konflikt nicht dadurch bestimmt ist, dass von vornherein das "ganz große Bild" gedacht wird. Erinner dich, dass Russland Anfang 2022 mit vielleicht 150k Mann an der Grenze stand und viele Skeptiker sagten, dass man alleine schon an dieser geringen Zahl Soldaten sehen würde, dass Putin doch niemals wirklich einmarschieren würde, sondern nur blufft. Frau Wagenknecht hat uns quasi unmittelbar vor der Invasion im Fernsehen noch breit erklärt, wie hanebüchen die Warnungen von westlichen Kriegshysterikern wären, weil Putin doch schließlich kein Idiot sei. Na, zumindest unmittelbar nach der Invasion hatte sie dann aber ziemlich Kreide gefressen.
Putin ist dem Trugschluss aufgesessen, die Invasion in die Ukraine wäre kalkulierbar und schnell erledigt. Wer kann es ihm verübeln, 2014 auf der Krim hat man ihn ja auch gewähren lassen und gleichzeitig hat er ein Umfeld geschaffen, das ein Interesse hat, ihm nur noch zu sagen, was er hören mag. Und heute stehen hunderttausende im vierten Jahr des Krieges an der Front, er hat unermesslich viel Material aber eben auch Menschen verloren und zu Hause kackt ihm die Wirtschaft ab. Hätte er das im Januar 2022 gewusst, hätte er es wohl nicht gemacht.
Und nun? Sein Land ist auf Kriegswirtschaft umgestellt, das heißt, er kann ohne weiteres auch gar nicht mehr raus aus der Nummer, ohne dass daheim der komplette Zusammenbruch erfolgt. Krieg hält dieses Land wirtschaftlich noch am Leben. Gleichzeitig wurden, wie schon bei der Ukraine, rhetorisch längst Herrschaftsansprüche bspw. im Baltikum geltend gemacht, während Putin selber den Zusammenbruch der Sowjetunion als größte Katastrophe bezeichnet. Wir haben es hier mit einem autokratischen Herrscher auf der Suche nach verlorener nationaler Größe und Ehre zu tun. Gerade da sollten bei uns Deutschen die ganz große Alarmglocke schellen, wir kennen das.
Ich erwarte keine offene, große Konfrontation mit der gesamten NATO, denn insbesondere von einer direkten Konfrontation mit den Amerikanern könnte er sich quasi nix versprechen. Aber ich halte ein mehr oder minder "hybrides" Vorgehen im Baltikum für absolut realistisch und tatsächlich erwartbar. Es wird eines Tages einen Vorfall mit den berühmt-berüchtigten 'Grünen Männchen' bspw. in der estnischen Grenzstadt Narva geben. Wenn da plötzlich 2.500 Mann in 2 Stunden konzertiert die Stadt besetzen, was macht dann der 'Westen'? Lösen wir tatsächlich Artikel 5 aus und würde der dann tatsächlich zu einer offenen militärischen Konfrontation mit Russland führen? Wir haben heute schon sehr viele Leute, die mit Blick auf die Ukraine sagen, dass man sie ihm doch einfach lassen sollte. Warum sollte das bei Estland anders sein? Wollen wir einen Weltkrieg lostreten wegen einer 50.000-Einwohner-Stadt irgendwo im Nirgendwo? Genau das wird dann gefragt werden.
Dazu kommt, dass wohl momentan keiner ernsthaft davon ausgehen kann, dass die Amerikaner tatsächlich sicher ihrer Bündnisverpflichtung nachkommen würden. Deren Präsident würde die Esten und uns andere Europäer mit einem Wimpernschlag in einem seiner "Deals" verhökern. Damit ist jedoch in Europa die Abschreckungswirkung des amerikanischen Löwenanteils in der NATO mehr oder minder zahnlos geworden.
Also ja, ich gehe tatsächlich davon aus, dass gerade die existierenden Zweifel an der tatsächlichen Effektivität von und den gravierenden Konsequenzen aus Artikel 5 in Verbindung mit der Vorstellung, eine kalkulierbare, begrenzte "militärische Spezialoperation" statt eines Krieges führen zu können und einer komplett auf Krieg gedrillten russischen Industrie und Bevölkerung, genau zur Gefahr eines großen Krieges führt.
Und daher erachte ich es als elementar, dass wir besser als bisher und insb. auch ohne verlässliche Amerikaner im Rücken, das unbedingte Versprechen projizieren können müssen, dass ein militärisches Vorgehen egal wo und egal wie auf unserem europäischen Bündnisgebiet extreme Konsequenzen nach sich ziehen wird und es daran tatsächlich keinerlei Zweifel geben darf.
Danke für die Ausführungen!
Sagen wir ich bin überzeugt von einem unmittelbar bevorstehenden Militärschlag im Osten der NATO und gehen in der Liste weiter: Warum sollte zu erwarten sein, dass es einer russischen Invasion Estlands besser ergeht als der russischen Invasion der Ukraine? Wie du korrekt eingeschätzt hast: Eine Kriegstwirtschaft kollabiert ohne militärische Erfolge früher oder später.
Ich habe ein ähnliches Vertrauen in die derzeitige Handlungsbereitschaft der US-Amerikaner wie du. "Mehr oder minder zahnlos" verstehe ich jedoch nicht - eine NATO ohne US-Amerikaner ist immer noch ungefähr eine halbe NATO. Das einzige was dann neben der Gesamtstärke schmerzlich und unersetzbar fehlt, ist globale Präsenz. Das sollte aber für das hier beschriebene Szenario nicht relevant sein, oder?
Ich denke du hast das Beispiel nicht bewusst gewählt, aber das ist so ziemlich genau die gleiche Größenordnung an Betroffenen, für die Artikel 5 das letzte und einzige Mal in Anspruch genommen wurde. Ich sehe nicht, warum es hier anders laufen sollte.
Von einem Weltkrieg zu reden halte ich für unangebracht. Darüber hinaus: Die NATO zu schwächen bzw. ihre Untätigkeit vorzuführen ist seit mehr als einem Jahrzehnt das wichtigste strategische Ziel der Russischen Föderation. Wenn also bei einem Angriff auf ein NATO-Mitglied die Angreifer (egal welcher Nationalität oder Uniform) nicht Tage oder Wochen später von belgischen, portugisischen, italienischen und deutschen Truppen beschossen werden, wäre dieses Ziel erreicht und der Kurs der russischen Regierung gerechtfertigt.
Ob man das dann überhaupt über Artikel 5 macht oder nicht, wäre am Ende des Tages eigentlich auch egal.
Weil Estland ein Mitglied der NATO ist. Und wenn da tatsächlich gemurrt wird bringt eine Wehrpflicht auch nichts und man sollte eher eine Informations-/Werbe-/Bildungs-/Propaganda-Kampagne darüber, wie eine Militärallianz funktioniert, in die Wege leiten.
Grundsätzlich, und ich denke das habe ich bereits an vielen Stellen zum Ausdruck gebracht, habe ich relativ viel Unverständnis dafür, mehr militärische Ressourcen zu fordern, solange noch ungenutze militärische Ressourcen in nicht-Kriegs- oder nicht-prekären Grenzgebieten rumgammeln.
Ich hätte nicht gedacht, mich einmal wie Peter Struck anzuhören, aber eine Bundeswehr, die in Deutschland campiert, ist - vis-à-vis autokratischer Herrscher auf der Suche nach verlorener nationaler Größe und Ehre - hypothetisch für Estland, praktisch für die Ukraine und letztendlich für die eigenen Interessen mit 1.500.000 Bewaffneten genau so nutzlos wie mit 150.000.
Wie ich schon geschrieben habe, erwarte ich keine große, offene Offensive, wie sie Russland 2022 in der Ukraine begonnen hat, sondern ein niedrigschwelliges, hybrides Vorgehen wie 2014 auf der Krim. Das mit dem Ziel, die anderen NATO-Staaten mit einem fait accompli zu überrumpeln und darüber aus dem Konflikt zu halten.
Das bezweifel ich, denn die Architektur der NATO ist so ausgelegt, dass die Fäden immer wieder bei den Amerikanern zusammenlaufen. Hals, Hände, Beine sind quasi wertlos ohne den sie verbindenden Torso.
Wenn Russland tatsächlich dämlich genug ist, bei einem Handstreich in Estland 2.500 Amerikaner umzubringen, sicherlich. Ich rede aber davon, mit 2.500 'grünen Männchen' eine estnische Stadt zu besetzen. Das wird in der Öffentlichkeit in Amerika, aber auch bei uns oder bspw den Spaniern nicht die gleichen Emotionen hervorrufen.
Genau auf diese Diskussion wird es dann aber hinauslaufen, Hand drauf. Wenn Russland die estnische Stadt an einem Vormittag besetzt hat und weiter nix macht und wir dann aufgeregt nachmittags darüber diskutieren, was jetzt zu tun sei, dann werden die Stimmen kommen, die sagen werden, dass man jetzt keinesfalls eskalieren sollte, weil das 'in einem WeLtKrIeG!!' enden würde und man sich lieber mit den durch Russland geschaffenen Tatsachen arrangieren sollte, statt jetzt gefährlich weiter zu eskalieren. Du weißt im Zweifel so gut wie ich, wie eine Wagenknecht uns mit Krokodilstränen vor 'einer schrecklichen Eskalation durch den Westen' warnt, während sie ohne zu zögern Estland unter den Bus werfen wird. Und sie wird nicht die einzige sein.
Dieser 'Kurs' bedeutet den militärischen Überfall eines Landes. Hier von 'gerechtfertigt' zu reden, ist dementsprechend eine ziemlich heikle Aussage.
Eine Wehrpflicht alleine nicht, das stimmt. Darum kann das auch nur einer von mehreren Schritten sein, die Bundeswehr in eine Stteitkraft zu verwandeln, die auch jenseits des amerikanischen Beitrags eine wirkungsvolle Abschreckung für uns und unsere exponierten Bündnispartner in Osteuropa sein kann. Wenn man bei uns zu Hause kannibalisieren muss, weil man eine Brigade in Litauen aufbauen will, geht das nicht.
Ich denke wir wissen beide, dass der NATO alle damit zusammenhängenden Vor-Ort-Entscheidungen proaktiv von den estnischen Streitkräften abgenommen werden würden. NATO-Staaten können sich dann (wie gesagt mit oder ohne Artikel 5, mit oder ohne US) zum Erhalt oder Zerfall der Allianz entscheiden, nicht aber darüber, wie mit "grünen Männchen" zu verfahren ist.
Möglicherweise reden wir hier aneinander vorbei?
Eine Regierung (allgemein jede Entität in einer Machtposition) muss ihr Handeln vor alljenen, die sie in ihre Machtposition gebracht haben und dort erhalten, rechtfertigen. Das ist in autokratischen Systemen nicht anders als in Demokratien - lediglich die 'Basis' ist eine andere und Machtwechsel verlaufen i.d.R. weniger gewaltfrei. Ein Vladimir Putin regiert nicht mit der Macht des Einen Rings, sondern weil dutzende Menschen in geringeren Machtpositionen um ihn herum und mit hoffentlich ähnlichen Interessen ihm das erlauben.
In dem Moment, wo der militärische Überfall eines Landes wichtige strategische Ziele der Basis erfüllt, ist er vor ihr gerechtfertigt. Wenn er das nicht tut, oder vielleicht sogar das Gegenteil erreicht, schwächt das die Machtposition aller damit zusammenhängenden Entscheidungstragenden.
Ich weiß, dass du das in Treu und Glauben geschrieben und den Effekt entsprechend nicht gewollt hast, aber ich finde es schwer in Worte zu fassen, wie anstößig ich die bloße Unterscheidung zwischen "exponierten Bündnispartnern in Osteuropa" und "bei uns zu Hause" in diesem Zusammenhang finde. Wirkungsvolle Abschreckungskraft von Allianzstrukturen kommt nicht von etwaiger zukünftiger militärischer Übermacht (insbesondere wenn bereits eine Parität besteht), sondern von unmittelbarer Handlungsbereitschaft.
Sowohl Esten als auch Russen könnte eine deutsche Wehrpflicht (oder sonstige Reformen der nationalen Streitkräfte und Zivilgesellschaft) nicht egaler sein. Was "exponierte Bündnispartner" sich viel lieber wünschen, sind öffentliche, glaubhafte Bekenntnisse, den entsprechenden Bündnispartnern im von ihnen ausgerufenen Verteidigungsfall auch mit voller Kraft beizustehen. So hätte zum Beispiel ein Merz, der sich vor ein Mikrofon stellt und proklamiert "Unabhängig von der Handlungsbereitschaft des Weißen Hauses stehen die gesamten Ressourcen der Bundeswehr allen Bündnispartnern an den NATO-Außengrenzen im Verteidigungsfall zur Verfügung" für die Allianz mehr getan, als ein Merz, der Rüstung und Militarisierung begünstigt.
Inwiefern die estnischen Streitkräfte alleine so einer Aktion etwas entgegenzusetzen vermögen, kann ich nicht beurteilen. Die Gefahr sehe ich wie gesagt darin, dass die Russen Tatsachen schaffen bevor die restliche Allianz sich überhaupt anfängt zu bewegen.
Dann reden wir in der Tat aneinander vorbei und ich stimme dir zu!
Das ehrt dich und ich freue mich darüber, dass du es so siehst. Tatsache ist aber, dass ich genau die angesprochene Handlungsbereitschaft sehr anzweifeln würde. Ich höre privat immer wieder bei Leuten die Meinung durch, dass es doch eigentlich egal ist, was in irgendwelchen Ländern in Osteuropa passiert, sei es nun die Ukraine oder das Baltikum. Hauptsache hier zu Hause ist Frieden. Ich weiß nicht, ob sich unsere Bevölkerung wirklich mehrheitlich hinter unsere Bündnisverpflichtungen - mit allen ihren Konsequenzen - stellen würden, wenn die Russen bspw. Narva in Estland besetzen würden. Und du?
Insbesondere, wie oben gesagt, wenn die Russen uns schnell vor vollendete Tatsachen setzen. Glaubst du denn nicht, dass wir hier dann die üblichen lauten Stimmen hören, die uns erklären, dass es sich doch für so eine Stadt nicht lohnt, nun 'einen Weltkrieg vom Zaun zu brechen' und man 'lieber mit Russland kooperieren sollte nach all den Kränkungen, für die sich Russland gerade rächt' o.ä.
Das Versprechen probiert Deutschland gerade in Litauen zu machen mit der Panzerbrigade 45 'Litauen', die dort neu aufgestellt und stationiert wird. Da wir dafür aber eigentlich nicht das Fleisch auf den Rippen haben, müssen wir dazu unsere eigenen Verbände kannibalisieren und planen(!) gerade mit einer Einsatzbereitschaft Ende 2027. Da wir so dünn aufgestellt sind, ist jede dort stationierte Kraft eine, die uns dringend in der Heimat fehlt und der Drahtseilakt kommt daher, dass man sich zu Hause auch nicht zu nackig machen kann. Eine Wehrpflicht ist wie gesagt kein alleiniges Allheilmittel, wird aber im Verbund mit anderen Schritten helfen, uns für eine zukünftige Konfrontation verteidigungs- und für unsere Bündnispartner handlungsfähiger zu machen.
Was genau in welchem Maße entgegengesetzt wird halte ich für nicht relevant. In jedem Fall werden NATO-Truppen im offenen Konflikt mit einem Angreifer stehen und Verluste hinnehmen. Der Kuchen ist dann gegessen und die vollendeten Tatsachen sind "Die NATO befindet sich im Kriegszustand".
Wenn wir uns einig darüber sind, dass der maßgebliche Flaschenhals hier die öffentliche Meinung vis-a-vis transnationale Bündnisse, Sicherheitsempfinden und geeinte, grenzenübergreifende Zivilgesellschaften ist, dann sind wir doch gar nicht mehr so weit vom Kern meiner ursprünglichen These - dass wir es hier grundsätzlich nicht mit einem militärischen Problem zu tun haben - entfernt.
An der Stelle war ich schon in vielen Gesprächen und ich komme einfach nicht mit. Wann ist man hierzulande "nackig"/"dünn aufgestellt"? Oder anders gefragt, welche über Verwaltung und Ausbildung hinausgehenden Teile der Bundeswehr braucht man in Deutschland und warum?
Wie viele NATO-Truppen stehen denn in Narva?
Kriegszustand mit wem? Wenn Russland wie auf der Krim im Geheimen Grüne Männchen ohne Abzeichen schickt?
Ich denke, wir haben sowohl als auch. Also einmal das Problem der öffentlichen Bereitschaft, tatsächlich das Sicherheitsversprechen gegenüber unseren (östlichen) Bündnispartnern einzulösen. Aber eben auch das materielle Problem, dieses Versprechen zum jetzigen Zeitpunkt tatsächlich mit Leben auszufüllen.
"Jeder ist sich selbst der nächste." gilt leider auch hier. Trotz aller Bündnisversprechen wird es de facto quasi kein Land hinnehmen können, seine Streitkräfte in einer Art aus dem eigenen Land abzuziehen, die die eigene Verteidigungsfähigkeit tatsächlich gefährden würde. Natürlich kann man sich hinstellen und idealistisch argumentieren, dass wir die Bundeswehr so gesehen hier doch nicht brauchen würden, aber in der Realität ist das ein Risiko, was keiner eingehen wird. Wir haben zwar unsere Bündnisse, aber am Ende verlässt sich für die nationale Verteidigung doch jeder lieber auf sich selbst. Ein Mann wie Trump zeigt, wie schnell Bündnisversprechen ernsthafte Risse bekommen können. Warum hat Russland Truppen zb an der finnischen Grenze, obwohl es eigentlich alles an Mann und Material für seinen "großen Krieg der Wiederherstellung des nationalen Stolzes" in der und gegen die Ukraine braucht und ein Angriff durch Finnland komplett unrealistisch ist? Keiner will das Risiko eingehen.
Ich denke nach wie vor nicht, dass das relevante Fragen sind. Ob der estnische Kommandeur vor Ort über ein Regiment oder eine Division verfügt und ob er von unbekannten oder bekannten Streitkräften angegriffen wird, wird doch für den Schießbefehl keinen Unterschied machen, oder?
Das verstehe ich, aber das beantwortet meine Frage nicht. Da gibt es irgendwo eine reale Zahl an Soldaten oder einen prozentualen Anteil der Bundeswehr, der Verteidigungsfähigkeit im Kontext einer Aufrüstungsdebatte gewährleisten würde und über welche/n hinaus alles weitere Material in Deutschland vor Ort nicht gebraucht wird. Welche Zahl schwebt dir vor?
Ich halte nichts an solchen Überlegungen für idealistisch - ist doch ganz normales militärisches Kalkül, oder nicht? An Grenzen, die man nicht zu verteidigen oder anzugreifen gedenkt, baut man keine Befestigungen und stationiert keine Truppen. Dass sich da in Karelien mehr Russen und Finnen nervös anstarren als am Rhein Deutsche und Franzosen, ist ein direktes Resultat der gegenseitigen militärischen Ambitionen der jeweiligen Länder.
Wessen Schießbefehl? Kann ja sein, dass sich der tapfere estnische Kommandeur vor Ort den "Besuchern" entgegenstellen wird. Aber das bedeutet leider nicht zwangsläufig, dass sich direkt auch ein amerikanischer, britischer, französischer, deutscher,.. Oberbefehlshaber ihnen entgegenstellen wird. Die Grünen Männchen auf der Krim haben es so angestellt, dass sie handstreichartig Schlüsselpositionen besetzt haben. Es wurde gar nicht offen gekämpft. Russland weiß genau, dass ein offener militärischer Angriff mehr oder weniger zwangsläufig in der Involvierung der NATO enden wird und damit für sie kein attraktives Szenario bietet. Der Grüne-Männchen-Ansatz kann aber so niedrigschwellig gestaltet werden, dass bei uns noch diskutiert wird, wie das einzuschätzen ist, während diese Leute die entscheidenden Stellen der Stadt bereits besetzt haben werden.
Das kann ich dir nicht fundiert beantworten. Um hier eine stichhaltige Zahl nennen zu können, müsste man schon mehr sein als ein (interessierter) Laie auf einem sozialen Netzwerk.
Aber vielleicht als Orientierungspunkt: die größte Truppenstärke hatte die Bundeswehr wenig überraschend Ende der 1980er, kurz vor dem Kipppunkt des Kalten Krieges mit beinahe 500.000 Soldaten. Im 2+4-Vertrag 1990 haben wir uns einer maximalen Stärke von 370.000 Soldaten verpflichtet. 2000 hatten wir noch knapp 320.000 Soldaten, heute ca. 180.000. Im Zweifel könnte ich mir den Wert von 2000, also ca. 300.000 als Zielmarke vorstellen. Aber wie gesagt, für eine richtige Aussage müsste man tiefer eintauchen und tatsächlich auf Gliederungsebene schauen, welche der in den letzten 20-30 Jahren aufgelösten Truppenteile man wieder bräuchte.
Die Tatsache, dass es nirgends passiert ist, und zwar weder im Kalten Krieg noch heute, zeigt doch aber, dass es eine idealistische Überlegung ist, die sich nicht in der Realität spiegelt. Keiner will das Hinterland ganz offen lassen, zumal wenn dieses Hinterland die eigene Nation ist.
Hmm? Welche militärischen Ambitionen hegt Finnland denn gegen Russland?
Das hat eher was damit zu tun, dass die ähem Vorgängerorganisation der Bundeswehr von anderen Armeen vernichtend geschlagen wurde...
Dass das der Vorvorgängerorganisation auch passiert ist und nichts gebracht hat, sollte aber denke ich zeigen, dass das Militär hier nicht das Problem war, oder?
Oder würdest du sagen, dass Deutschland aktuell nicht in Frankreich einfällt liegt daran, dass die Niederlage vor drei Generationen die deutschen Streikräfte bis heute lahmlegt? :P
Fast ;-) Ich würde es so formulieren: Durch die vernichtende Niederlage Nazideutschlands und der anschließenden (wenn auch nicht altruistisch begründet) ausgestreckten Hand der Sieger wurde die Grundlage für die heutige Situation geschaffen.
@splendoruranium @Quittenbrot
Die Möglichkeit auf Zivildienst oder einen andern Ersatzdienst besteht doch weiterhin.
(Damit will ich mich jetzt nicht für die Wehrpflicht aussprechen. Ich finde man sollte zuerst pistorius Freiwilligen Konzept probieren)
Sicherlich, aber der Stein des Anstoßes ist hier ja genau, dass der Zivildienst die Möglichkeit ist und der Wehrdienst die Pflicht sein soll.
Wenn Russland angreift brauchen wir halt in erster Linie Soldaten und keine Zivis...
Russland hat bereits vor Jahren angegriffen und Deutschland beteiligt sich bereits seit Jahren am entsprechenden Krieg. Zu begründen wäre, warum dafür plötzlich noch mehr Streitkräfte notwendig wären als die, die jetzt bereits nicht eingesetzt werden.
Geheimdienste gehen derzeit von einem möglichen richtigen Angriff Russlands auf NATO / EU Territorium in den nächsten Jahren aus. Ich würde schon sagen, dass das die Situation in so weit ändert, dass mehr Streitkräfte notwendig werden.
Naja, ich kann die andere Perspektive schon verstehen: Wer in den 60er - 80er Jahren seinen Wehrdienst abgeleistet hat musste mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der kalte Krieg heiß wird - etwas das für meine Generation (Wehrdienst '99) schon als eher sehr unwahrscheinlich anzusehen war. Ich denke das prägt einfach.
Man muss halt auch unterscheiden über was für Arbeit wir hier reden. Ich lehne mich einfach mal aus dem Fenster, dass X Stunden geistige Arbeit am PC von der älteren Generation als deutlich leichter wahrgenommen wird als X Stunden Maloche in der Fabrik / Zeche / Baustelle.
Arbeit ist Arbeit. Grüße von jemandem, der sich mit verschiedenen Jobs auf verschiedene Arten kaputtgearbeitet hat (Burnout (2x) und Rücken stehen in direktem Zusammenhang mit Arbeit und andere Probleme wurden durch Arbeit auch nicht besser).
Es sind auch nicht (nur) die Malocher aus Handwerk und Industrie, die sich über die "faule Jugend"™ beschweren, am lautesten kommt sowas (zumindest meiner Wahrnehmumg nach) von Bürohengsten, Sekretärinnen, usw.
Und selbst wenn die Alten, die sich jetzt beschweren, alle den Buckel krummgeschuftet haben und sich beschweren, weil sie glauben, Büroarbeiter hätten es leichter, sollten wir doch eher daran arbeiten, diese Wahrnehmumg entsprechend der Realität zu korrigieren anstatt in einer fehlerhaften Wahrnehmung begründetem Stuss hinterherzurennen.
Und obendrauf sind auch beiweitem nicht alle jungen Menschen Büroarbeiter.
Und und und. So ein Schwachsinn, alter.
Grüße zurück von jemanden der die Lebensjahre von 16 - 22 auf der Baustelle verbracht hat. Dann habe ich über Umwegen das Hobby Computer zum Beruf gemacht und bin jetzt seit ~20 Jahren Bürohengst. Ja, > 10 h am Computer zu sitzen mit einer Deadline im Nacken ist anstrengend, Maloche ist aber echt was anderes.
Seh ich anders.
Eben. Anders. Nicht unbedingt leichter oder schwerer. Es werden andere Körperteile anders beansprucht und abgenutzt (Gehirn und Psyche ist hier ein Körperteil). Und Menschen sind Individuen, manche kommen besser mit bestimmten Belastungen klar als andere.
Ok, ich denke das kann ich auch so unterschreiben.
Nachtrag:
Wo da der Punkt Wehrdienst für mich wieder rein kommt, ist halt, dass ich schon verstehe wenn junge Menschen dann keinen bock haben und sagen wenn der Staat nichts für mich tut, meine Stimme trotz Demokratie nichts zählt warum soll ich diesen Staat dann mit meinem Leben verteidigen? Und das war früher glaube ich schon anders.
Man könnte jetzt argumentieren, dass der Staat ja die Rahmenbedingungen geschaffen hat die ihm das Aufwachsen in (im weltweiten Durchschnitt gesehen) relativem Luxus ermöglichen. Das die Situation jetzt eine andere ist als in den 50er - 80er Jahren, mit deutlich geringeren Aufstiegsmöglichkeiten etc. - geschenkt. Trotzdem muss man schon ehrlich sagen, dass wir hier auf ziemlich hohem Niveau jammern.