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Die heutigen Beschlüsse aus Karlsruhe lenken den Blick auf einen Alltag, von dem wenige mitbekommen, dass es hier um den Rechtsstaat schlecht bestellt ist. Anwälte berichten, dass bei Abschiebungen immer wieder ohne Richterbeschluss festgenommen wird. Und sie berichten noch mehr. Es gibt zwar keine offiziellen Zahlen zur Abschiebungshaft. Aber die Zahlen, die es gibt, weisen darauf hin, dass bis zu 50 Prozent der Inhaftierten zu Unrecht in Abschiebungshaft sitzen - mitunter für mehrere Wochen. Wahrscheinlich gibt es kaum ein Rechtsgebiet, in dem Gerichte Behördenhandeln so oft als rechtswidrig beanstanden müssen.
Wohlgemerkt: Es geht hier nicht darum, ob man für mehr oder weniger Abschiebungen ist, ob man die Regeln zur Abschiebungshaft verschärfen will oder nicht. Hier geht es um den Rechtsstaat, in dem der Zweck nie die Mittel heiligt. Und das heißt, wenn jemand in Gewahrsam genommen wird, muss vorher ein Richter entscheiden. Und wenn nicht vorher, dann so schnell wie möglich. Hier kann eine Behörde nicht einfach sagen: Wir erreichen am Freitagnachmittag um 15 Uhr keinen mehr. Karlsruhe betont: Für krasse Maßnahmen wie Festnahmen muss ein Richter auch spät abends erreichbar sein.
Rechtsstaatliche Standards sind unter Druck bei Abschiebungshaft. Und gerade jetzt soll der Rechtsschutz noch weiter beschnitten werden. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will auch den Pflichtanwalt für Abschiebungshaftfälle abschaffen, dort, wo Anwältinnen und Anwälte offenkundig am dringendsten gebraucht werden, weil sich die Behörden immer weniger um das Recht scheren.
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